Das Bild zeigt die drei Nornen an der Weltesche
Yggdrasill beim Spannen der Fäden des Schicksalsgewebes, in das die
ganze Welt verstrickt ist. Die drei Nornen bestimmen das Schicksal der
Menschen und der Götter und aller anderen Wesen. Dabei steht
Urd für die Vergangenheit, weshalb sie auch oft als uralte Frau beschrieben
wird. Verdandi steht für die Gegenwart und wird oft als Frau mittleren
Alters bezeichnet. Skuld symbolisiert die Zukunft, das Werdende. Aus diesem
Grund stellte man sie sich oft als junges Mädchen vor. Das müßte
also eigentlich bedeuten, daß die Zukunft nicht vorherbestimmt ist,
sondern daß sie aus Vergangenheit und Gegenwart entsteht. Trotzdem
war der Glaube an ein bereits vorherbestimmtes Schicksal bei den Germanen
sehr verbreitet. Nimmt man aber an, die Nornen fertigen das Schicksal nur
nach den Anweisungen einer höheren Macht, erkennt man, daß sie
selbst im Grunde gar keinen Einfluß auf Vergangenheit, Gegenwart
und Zukunft haben. Diese geheimnisvolle, über allem stehende Macht
wird in der Mythologie als Ørlög bezeichnet. Vielleicht
stecken hinter Ørlög in gewisser Weise die Naturgesetzte,
die letztlich alle Vorgänge im Universum nach bestimmten Regeln ablaufen
lassen.
Sie warfen im Hofe heiter mit Würfeln
Und darbten goldener Dinge noch nicht.
Bis drei der Thursen- töchter kamen
Reich an Macht, aus Riesenheim.
(aus der Völuspa - Der Seherin Weissagung)
In diesem Vers ist die Rede von den Göttern,
nachdem sie das Urchoas geordnet und die Welten erschaffen haben. Sie ruhen
sich von ihrer Arbeit aus, bis drei mächtige Riesentöchter ihren
Platz unter dem Weltenbaum einnehmen - die drei Nornen eben. Es scheint
sich also bei Ørlög tatsächlich um die Naturgesetze
zu handeln, denn erst nachdem das Urchoas beseitigt wurde, können
sie logischerweise zu wirken beginnen. Sämtliche beseelte Lebewesen
wurden übrigens erst nach dem Inkrafttreten des Ørlög
erschaffen.