Odin - der unergründliche
Gott, ein Gott wie kein anderer
Odin, Wotan, Wodan, Wode,
Woden, Godan, Har, Hroptr, Alfadhir - um nur einige der über 170 Namen
dieses Gottes zu nennen. Die Anzahl seiner Namen und deren Bedeutungen
sagt schon einiges über seine Vielschichtigkeit aus. Seine Karriere
hat er als primitiver Sturmgeist begonnen und sie endete (zumindest offiziell)
im Mittelalter als Gott der Weisheit, Magie, Dichtkunst, Kriegs- und Totengott.
Dieses große Spektrum an Zuständigkeiten weißt fast schon
monotheistische Züge auf, was die Frage aufwirft, wie sich dieser
Gott ohne Christianisierung weiterentwickelt hätte. Nach der Bekehrung
der Heiden wurde er von den christlichen Missionaren zum Dämon degradiert,
wobei er das Schicksal mit den restlichen Asen und Wanen, keltischen, olympischen,
römischen und vielen anderen heidnischen Göttern teilen mußte.
Aber insgeheim hat er - bewußt oder unbewußt - in einigen von
uns bis heute überlebt. Er hat es geschafft, neben dem jüdisch-christlichen
Jahwe und dem moslemischen Allah bis heute zu überleben - das haben
nicht viele Götter geschafft, schon gar nicht die, welche mit letztgenannten
Bekanntschaft gemacht haben.
„Odins Einfluß
und seine Leistungen sind selbstverständliche Bausteine unserer Psyche
geworden, auch wenn uns dies nicht bewußt ist. Bedauerlich daran
ist, daß wir diese entsprechenden, zu ihm gehörenden Anteile
heute nur noch schwer eingrenzen und erfassen können, obwohl er doch
so viele hochdynamische Eigenschaften in uns eingebracht hat. So bleibt
auch eine gewisse Trauer, über die nicht verwirklichten Möglichkeiten,
die in seinem Erbe enthalten gewesen wären. Andererseits ist Odin/Wotan,
wie alle großen Götter, kein kleinkarierter Ehrgeizling, der
nicht Teil eines größeren Ganzen sein könnte. Er wirkt
solange unerkannt weiter, bis seine Energien entweder in anderen Systemen
aufgehen oder, wenn ihnen dies versagt bleibt, in inflationärer Weise
wieder durchbrechen und ganz im Sinne der alten Gottheit die Menschen in
seiner Einflußsphäre erfassen und mitreißen werden, ob
ihnen das gefällt oder nicht.“
Horst Obleser, Psychoanalytiker (aus seinem Buch "ODIN
Psychologischer Streifzug durch die germanische Mythologie" S. 294)
In der Edda heißt
es, Odin sei der Vater der Menschen und Götter, der Allvater. In gewisser
Weise trifft das sogar zu und läst sich beweisen, ohne die
Evolutionstheorie von Darwin anzugreifen: Betrachtet man die Götter
als archetypische Vorgänge in der Psyche, übernimmt Odin zweifelslos
die Rolle der ewigen Suche nach neuem Wissen. Versetzen wir uns nun in
die Zeit der ersten Urmenschen. Irgendwann haben diese angefangen, abstrakt
zu denken, Werkzeuge und Waffen zu erfinden und zu benutzen und gelernt
zu sprechen. Das war die Geburtsstunde des denkenden Menschen - ermöglicht
durch den Geist Odins. Erst nachdem die Menschen Vorgänge in der Natur
zu erklären versuchten, entwickelten sich die Götter und damit
die Religionen. Nach und nach wurden weitere Götter geboren,
wie Schutzgötter, Kriegsgötter usw. Selbst Odin dürfte relativ
jung sein, da der Bedarf nach einem Gott des Wissens und der Magie erst
später aufgetreten sein wird. Aber trotzdem hat das Prinzip Odins,
stets neues Wissen zu erlangen, uns Menschen in Urzeiten erschaffen. Und
unsere Entwicklung schreitet immer noch voran.
Odinismus
Odinismus ist eine moderne
Form des Odinkultes und eine Erscheinungsform von Asatru. Der Name alleine
erinnert schon an Buddhismus und tatsächlich existiert dabei
sogar eine gewisse Ähnlichkeit. Der Odinist oder Odianer begreift
die alten Götter meist nicht als lebende Wesenheiten sondern als psychische
Kräfte, die in jedem von uns leben. Somit glauben auch die
meisten Odinisten nicht an Götter im Sinne von übermächtigen
Lebensformen. Selbst wenn man als Odianer an die existente lebende Form
des Odins glaubt, ist es nicht Ziel, diesen Gott zu verehren und anzubeten.
"Der Odianer betet seinen Gott nicht an - er wird vielmehr
zu seinem Gott" wie es Edred Thorsson so schön formuliert. Eben das
erinnert stark an den Buddhismus, dessen Anhänger sich Buddha als
Vorbild nehmen und versuchen nach diesem zu leben. Der Odianer nimmt sich
bei seiner Selbstverwirklichung und Bewußtseinserweiterung die Mythen
um Odin zur Hilfe und wird dadurch sozusagen seinem Gott immer ähnlicher.
Wegen dem Namen Odinismus könnte man leicht
vermuten, diese Religion wäre stark auf den Gott Odin ausgerichtet,
dem ist aber ganz und gar nicht so. Die restlichen Götter und Göttinnen
kommen nicht zu kurz, alle sind gleich wichtig - die Guten und die weniger
Guten - und bilden ein großes Ganzes. Das zu erkennen ist ein wichtiger
Schritt bei der Bewußtseinserweiterung. Für den Odianer ist
aber das Prinzip Odins, nämlich die ewige Suche nach Weisheit und
die ewige Bewegung und Weiterentwicklung, am faszinierendsten und wichtigsten.
Der unruhige, teilweise chaotische Odin haßt festgefahrene Vorstellungen
und vor allem Stillstand in jeder Form. Odin ist stets auf Wanderschaft,
seine Geist-Raben Hugin und Munin fliegen Tag für Tag über die
Welt, um ihm von Neuigkeiten zu berichten und er läßt keine
Gelegenheit ungenutzt, Wissen mit Völwas, weisen Riesen oder anderen
Göttern auszutauschen. Aufgrund dieser Aktivität und Unruhe ist
Odin für den Odianer vor allem der Gott der Weisheit, Magie, Dichtkunst,
Begeisterung und Ekstase.
Odin erscheint in den Mythen oft als dreiteilige
Wesenheit. Der älteste überlieferte Name dieser Dreiheit ist
Wodhanaz-Wiljon-Wihaz. Wodhanaz ist der Meister der Eingebung,
Wiljon der Wille und Wihaz der Heilige.
ZuRuEcK ZuR HoMePaGe
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