Asatru und die südgermanischen
Götter
Fol ende Uodan uuorun
zi holza.
du uuart demo Balderes uolon sin uuoz
birenkit.
thu biguol en Sinthgunt, Sunna era suister,
thu biguol en Friia, Uolla era suister,
thu biguol en Uodan, so he uuola conda:
sose benrenki, sose bluotrenki,
sose lidirenki:
ben zi bena, bluot zi bluoda,
lid zi geliden, sose gelimida sin!
Leider ist aufgrund
der Christianisierung des gesammten südgermanischen Gebietes ab dem
3. Jhd. n. Chr. ziemlich viel Wissen über die Religion der Germanen
verloren gegangen. Asatru ist die Rekonstruktion der Religion der Nordgermanen,
wobei die Anhänger dieser "alten neuen" Religion aber das Glück
haben, sich der mythischen Texte der Edda bedienen zu können. Südgermanische
Mythen sind, bis auf einige wenige (z. B. 2. Merseburger
Zauberspruch), nicht niedergeschrieben worden bzw. wurden von den christlichen
Missionaren vernichtet. Asatru bedeutet ungefähr soviel wie: die
Treue zu den Asen. Die Asen sind neben den Wanen ein nordisches Göttergeschlecht;
allgemein bezeichnet man aber oft auch beide Geschlechter einfach als Asen.
Im südgermanischen sind die Namen für die beiden Göttergeschlechter
nicht bekannt, obwohl man davon ausgehen muß, das zwischen den beiden
Geschlechtern unterschieden wurde.
Nun zu den wichtigeren
Dingen: Bei den südgermanischen Völkern war der Gott Tiu (nordisch:
Tyr) oberster Gott. Tiu soll aus der Erde entstanden sein (Sohn eines Riesen
- Hinweis auch in der später entstandenen Edda) und galt als Himmelsgott.
Allerdings endete die Verehrung der alten Götter im Süden um
das 6. Jhd. n. Chr. aufgrund der Bekehrung zum Christentum. Zu dieser Zeit
war aber im noch heidnischen Norden ebenfalls Tiu bzw. Tyr oberster Gott.
Langsam aber sicher wurde er im Norden von Odin (südgerman. Wotan)
abgelöst. Es stellt sich nun die Frage, was für einen Gott man
bei der Rekonstruktion des südgermanischen Asatru an die Spitze setzen
soll. Meiner Meinung nach macht das aber im Grunde gar keinen Sinn, denn
jeder Gott ist wichtig und man kann eigentlich keinen weglassen oder wichtiger
erscheinen lassen. Bedenkt man aber, daß Tiu der Gott der Gerechtigkeit
und Rechtsprechung und somit der Thingversammlung ist, wäre es wohl
eher passend ihn als Vorsitzenden des Rates der Götter zu sehen als
den eher weniger vertrauenswürdigen Odin bzw. Wotan. Wobei wir schon
bei der Frage sind, ob Wotan weitgehend mit dem nordischen Odin identisch
ist. Im Merseburger Zauberspruch erscheint er zusammen mit Vol (nordisch
Frey?!) als heilkundiger Zauberer. Ebenfalls war er im Süden als Kriegsgott
bekannt - daher der Name Wotan, der soviel bedeutet wie "der Wütende".
In dieser Rolle hatte er die Macht dem besseren Krieger den Sieg zu schenken,
genauso wie im späteren Norden. Scheinbar kann man also sagen, daß
man Odin mit Wotan gleichsetzen kann, mit dem Unterschied, daß er
im Süden wohl keine so bedeutende Rolle gespielt haben dürfte
als im späteren Norden.
Bei der untenstehenden
Aufzählung der germanischen Götter habe ich versucht, die Eigenschaften
und Ideale der Götter vom Mittelalter auf unsere Zeit zu übertragen.
So wird etwa der bewaffnete Krieger zum geistigen Krieger, dessen Waffen
Worte bzw. Argumente sind usw., so wie es auch der Asatru-Priester Edred
Thorson beschrieben hat. Schließlich hat sich die Religion unserer
Vorfahren und mit ihr ihre Götter und nicht zuletzt die Menschen selbst
im Laufe der Zeit weiterentwickelt. Im Gegensatz zu den Offenbarungsreligionen,
bei denen ein unabänderbares Gottesbild vermittelt wird, ist es bei
den Naturreligionen wie eben bei Asatru sozusagen Tatsache, daß die
Götter die Menschen erschaffen haben und die Menschen die Götter
erschaffen haben (man kann das Ganze auch umdrehen). Und in unserer Zeit
sollte eigentlich kein Platz mehr sein für gewalttätige Konfliktlösung
in Form von Krieg und Zerstörung mit Waffengewalt. Wir sollten vielmehr
unsere Intelligenz und Weisheit als Waffe einsetzen - richtig angwandt
und im Zeichen unserer weiterentwickelten Gesellschaft könnten diese
"modernen Waffen" weitaus wirksamer sein und vor allem niemandem körperlichen
Schaden zufügen. Dazu ein Zitat von Mahatma Ghandi: "Gewalt ist die
Waffe der Schwachen, Gewaltlosigkeit die der Starken."
Tiu, Diu, Saxnot (nordisch
Tyr):
Prinzip |
Tiu symbolisiert das Streben nach Gerechtigkeit
und nach Wahrheit. |
Mythos |
Der Mythos um Tyr zeigt, daß man unausweichlich
Risiken bzw. Entbehrungen eingehen muß, wenn man stets dem Weg der
Gerechtigkeit folgt: Tiu verlohr seine rechte Hand, als die Götter
den Fenris-Wolf fesselten und Tyr seine Hand in den Rachen des dämonischen
Wolfes legte, denn nur dadurch willigte der Wolf ein, sich fesseln zu lassen.
Als die Götter die Fesseln nicht wieder lösten, bis er Tyr die
Hand ab. |
Präsenz |
Folgt man trotz der möglichen Einbußen dem Weg der Wahrheit
und kämpft für die Gerechtigkeit fühlt man den Mut dieses
ehrwürdigen Gottes. |
Zeichen |
Nordstern (weicht nie von seiner Position ab), t-Rune |
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Wotan, Wodan, Godan, Wode,
Woden (nordisch Odin):
Prinzip |
Wotan symbolisiert die ekstasische Hingabe zum Kampf für ein gerechtes
Ziel und zur Wissenserweiterung, das ewige Streben nach Wissen. |
Mythos |
Wotan opfert ein Auge um in die Quelle der Weisheit blicken zu dürfen.
Er hängt verwundet neun Tage und Nächte lang am Weltenbaum Yggdrasill
wodurch er schließlich die Geheimnisse der Runen ergründet.
Dadurch kommt er wieder zu Kräften, entgeht dem Tod und erlangt unergründliche
Weisheit. |
Präsenz |
Will man Wissen erlangen oder steigert man sich mit all seiner Kraft
in irgend ein Vorhaben, so wird man die Kraft Wotans spüren. |
Zeichen |
Rabe, Wahlknoten, a-Rune |
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Donar (nordisch Thor):
Prinzip |
Donar symbolisiert den Schutz und die Hilfe für
die Schwachen und Armen durch den Starken und Reichen. |
Mythos |
In der Mythologie kämpft der Gott Donar
mit seinem magischen Hammer Mjöllnir gegen Riesen und Dämonen
um die Götter und Menschen gegen zerstörerische Einflüsse
zu verteidigen. Außerdem schenkt er den Bauern den Regen für
ihre Felder. Das Entstehen von Blitz und Donner wird auch mit ihm in Verbindung
gebracht. Wenn er mit seinem Wagen durch den Himmel fährt entsteht
Donner (daher sein Name Donar = "der Donnerer"), schlägt er mit seinem
Hammer zu entstehen Blitze. |
Präsenz |
Donar ist der Gott der einfache Leute. Jemand
der sein Leben riskiert, um anderen zu helfen, dem wird Donar nahe stehen. |
Zeichen |
Hammer, Eichenbäume, th-Rune |
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Frowe Hulda, Frija
(nordisch Freyja):
Prinzip |
Frowe Hulda symbolisiert Liebe und Fruchtbarkeit. |
Mythos |
Als Zwillingsschwester von Fro Ing ist Frowe Hulde in erster Linie
Liebesgöttin. Sie wird in der Mythologie oft mit der Muttergöttin
Frigg in Verbindung gebracht. Freyja ist aber auch eine weise mächtige
Zauberin. Nachdem sie mit ihrem Vater und Bruder nach Asgard kam, lehrte
sie Wotan die Kunst des Seid-Schamanismus. Als Gegenleistung soll ihr Wotan
die Galdr-Runenmagie beigebracht haben. |
Präsenz |
Da diese Göttin die Zwillingsschwester von Fro Ing ist, spürt
man sie logischerweise am stärksten bei Liebesangelegenheiten. In
gewisser Weise stellt Freyja auch das weibliche Gegenstück zu Odin
da - im Bereich des Intelektuellen. |
Zeichen |
Katze |
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Fro Ing, Ingwio, Vol?
(nordisch Frey):
Prinzip |
Fro Ing symbolisiert Liebe, Fruchtbarkeit, Vergnügen und Frieden. |
Mythos |
Als Fruchtbarkeitsgott ist Fro Ing zuständig für die Früchte
des Feldes und für die geschlechtliche Liebe. Außerdem schenkt
er den Menschen friedliche Zeiten und vergnügliche Feste. |
Präsenz |
Diesen Gott fühlt man am stärksten, wenn man liebt oder sich
um Frieden bemüht. |
Zeichen |
Eber, Hirschgeweih, ng-Rune |
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Uller (nordisch Ullr):
Prinzip |
Uller symbolisiert die Symbiose von Mensch und Natur, Leben und Tod. |
Mythos |
Als Gott des Winters wandert Uller alleine durch die verschneiten Gebiete
des hohen Nordens. Er ist auch Gott der Jäger und Bogenschützen,
da er sich von erlegtem Wild ernährt. |
Präsenz |
In der freien Natur, fernab der Zivilisation wird man dem Gott Uller
nahe sein. |
Zeichen |
klarer Sternenhimmel im Winter, Pfeilspitze |
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Loki* (nordisch Loki):
Prinzip |
Loki symbolisiert das Abkommen vom rechten Weg, dem Verfall hin zum
Bösen und Hinterlistigen. |
Mythos |
Loki wurde durch die Blutsbrüderschaft mit Wotan in das Geschlecht
der Asen aufgenommen. Durch seine List und seine Tricks half er den Göttern
oft aus scheinbar ausweglosen Situationen. Doch seine Methoden wurden dabei
immer hinterlistiger und abartiger. Schließlich stiftete er aus Eifersucht
den blinden Gott Hödur an, den bei allen beliebten, tadellosen Lichtgott
Balder zu töten. Daraufhin wurde Loki von den Göttern gejagt,
eingefangen und auf magische Weise an einen Felsen gefesselt. |
Präsenz |
Jene, die ihre Ziele erreichen wollen und dabei auf niemanden und nichts
Rücksicht nehmen, folgen dem selbstzerstörerischen Pfad Lokis.
Früher oder später werden sie sich selbst ins Verderben stürzen,
wenn sie nicht zur Einsicht gelangen. |
Zeichen |
Feuer |
|
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Zum Schluß sei noch angemerkt, daß
es ziemlich schwierig ist, die Eigenschaften und Werte, die die Götter
repräsentieren, in Worte zu fassen. Deshalb sollte sich jeder selbst
auf die Suche nach den Göttern machen, die in uns und um uns sind.
Die Runen bieten vielleicht einen guten Einstieg... Und wie bereits gesagt:
Alle Götter sind wichtig - der eine kann ohne den anderen nicht existieren.
Das Göttliche als Ganzes ist unergründlich - das große
Geheimnis. Gut und Böse gibt es nicht - sie bilden eine Einheit -
nur das Gleichgewicht zu finden ist schwierig...
* In den wenigen Überlieferungen über die südgermanische
Mythologie weist nichts auf einen Trickster-Gott ähnlich Loki hin
- wahrscheinlich nur, weil dieses Wissen durch die Christianisierung verloren
ging, weshalb ich den nordischen Loki eingesetzt habe.
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Seite zuletzt geändert am 09.02.1999 / ©
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